Training 4 Paws

Enrichment - Bring deinem Tier die Welt ins Wohnzimmer!

Ein Besuch beim Enrichment Tag der Wolfsfamilie im Highland Wildlife Park und was wir davon für unsere Haustiere lernen können.

Unsere Haustiere leben im Schlaraffenland! Die nächste Mahlzeit wird pünktlich in den Napf geliefert, das Territorium ist gesichert, Gassi geht’s auch zwei Mal am Tag eine Runde um den Block und abends wird gekuschelt auf der Couch. Perfektes Hunde- oder Katzenleben. Oder vielleicht doch eher die perfekte Langeweile?

Egal ob Zoo- oder Haustiere, wir bestimmen das gesamte Leben unserer Tiere: Wo sie sich aufhalten, mit wem sie Kontakt haben, wann und was sie essen, mit wem sie sich fortpflanzen, bei Hunden sogar, wann sie aufs Klo dürfen.

 

Wie können wir das Leben für unsere Haustiere reicher gestalten?

Hier lohnt sich ein Blick in die Zootierhaltung. Tierpfleger sind die wahren Profis, wenn es darum geht, das Leben ihrer Schützlinge so lebenswert wie möglich gestalten.

Die Haltung von Wildtieren in Zoos spaltet die Gemüter. Doch ganz egal, ob wir Zoohaltung für sinnvoll erachten oder nicht, eines ist klar: Die Haltung von Wildtieren in der Obhut des Menschen ist wesentlich anspruchsvoller als die unserer domestizierten Mitbewohner. Bei anhaltender Langeweile oder Stress sind Wildtiere anfälliger für die Entwicklung von Stereoptypen. Auch wenn unsere Haustiere die Tatsache, dass wir Menschen ihr ganzes Leben bestimmen auf den ersten Blick besser wegstecken, so bedeutet es nicht, dass wir nicht einiges zur Verbesserung ihrer Lebensqualität tun können.

Im Rahmen meines Erasmus for Young Entrepreneurs Austauschprogramms in Schottland, durfte ich einige Tage für Lothlorien Dog Services beim Wolfsrudel im Highland Wildlifepark in Kincraig hospitieren, das Pflegerteam in seinem Alltag begleiten und Feedback zum Training mit den Wölfen geben. Ein Highlight, sowohl für mich als auch für die Wölfe, war der wöchentlichen Enrichment Tag.

 

Was ist Enrichment?

Die Idee des Enrichment stammt aus der Zootierhaltung und bedeutet Bereicherung / Anreicherung.

Enrichment beschreibt ein Beschäftigungskonzept für die Haltung von Tieren in Gefangenschaft, um die Entwicklung von Stereotypen durch Langeweile zu vermeiden und ihnen Gelegenheit zu geben, Körper und Geist gemäß ihren genetischen Anlagen einzusetzen. (Quelle: Wikipedia)

Enrichment ist ein ganzheitliches Konzept, bei dem es darum geht, dem Tier die Möglichkeit zu geben, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen und Selbstwirksamkeit zu erfahren. Das Tier ist nicht hilflos seiner Umwelt ausgeliefert ist, sondern hat Kontrolle darüber hat, was geschieht.

Enrichment besteht aus fünf gleichwertigen Kategorien:

1. Food Enrichment – simpel und effektiv, denn jedes Tier muss essen!

Die Wölfe müssen sich ihr Futter erarbeiten. Dafür wird das Futter im Gehege versteckt und verstreut, in Pappkartons verpackt, oder in Eisblöcke eingefroren. Statt in 30 Sekunden das Futter aus dem Napf zu inhalieren, gilt es, sich über längere Zeit mit der Suche nach und dem Zugang zu Nahrung auseinanderzusetzen.

Was müssen die wilden Verwandten deines Haustieres anstellen, um an ihre Nahrung zu gelangen? Auf Bäume klettern? Löcher buddeln? Sich recken, um an die oberen Zweige zu gelangen? Ein Beutetier hetzen und zerlegen?

Selbstverständlich kannst du deinem Hund und deiner Katze keine lebenden Tiere servieren. Auch in Zoos ist es aus Tierschutzgründen verboten, lebende Beutetiere den Raubtieren zum Fraß vorzuwerfen. Aber du kannst Die Jagdsequenzen simulieren, indem du zum Beispiel Leckerchen rollst, wirfst oder über den Boden ziehst.

Spiele mit deinem Hund oder deiner Katze das 10-Leckerchenspiel oder das Lauer-Spiel, um den Beutetrieb deines Sofa-Beutegreifers zu befriedigen. Katzen lieben es, ihre Pfoten einzusetzen. Lass deine Katze ihr Trockenfutter aus einem Eierkarton oder einem Katzenfummelbrett fummeln.

Gib das Trockenfutter deines Hundes in einen Schnüffelteppich und das Nassfutter in einen Kong oder streiche es auf eine Leckmatte. Im Internet gibt es Kongideen und -rezepte zuhauf. Auch für Kleintiere, Pferde, Fische und Vögel gibt es im Internet Ideen, wie sie sich ihr Futter erarbeiten können.

2. Sensory Enrichment – sehen, hören, fühlen, riechen und schmecken!

Wölfe sind sehr neugierige Tiere, die für ihr Leben gerne neue Dinge erkunden, indem sie darauf herumkauen, sie beschnüffeln und auseinandernehmen. Jeder neue Geruch oder Geschmack auf der Zunge befeuert die Synapsen im Gehirn. Das Team sammelt daher Behälter mit Resten von Joghurt, Marmelade, Butter, Honig oder Saucen zum Auslecken. Sie spicken das Gehege mit Himbeerzweigen, von den denen die Wölfe selbst die Beeren pflücken, verteilen Erdbeeren auf dem Boden oder geben den Wölfen Eisblöcke, in denen unterschiedliche Gemüse- und Früchtestückchen in einer leichten Soßen eingefroren sind.

Zum Zerlegen gibt es hin und wieder ganze Kohlköpfe oder Pappkartons, welche das Rudel mit Genuss zerfetzt und im ganzen Gehege zerstreut.

Das Team spickt die Rinde der Bäume mit Kräutern, wie Katzenminze oder Nelken und versprüht Parfüm am Rande des Geheges, um die Wölfe zum Schnüffeln und Markieren zu animieren. Eine Pflegerin hat mir erzählt, dass Jax, der Leitwolf sich am meisten für Chanel No. 5 interessiert.

In einem Bereich des Geheges steht ein ausgedienter Picknicktisch vom Spielplatz des Parks. Wie viele Sandwiches die Wölfe wohl daran erschnuppern können?

Aktiviere die Sinne deines Tieres!

Wie wäre es mit einem Aussichtsplatz am Fenster für deine Indoorkatze?

Lass deinen Hund auf dem Spaziergang über verschiedene Untergründe gehen, oder schwimmende Leckerli aus dem Wasser fischen.

Lass dein Haustier deine Schuhe oder den Einkaufskorb inspizieren bevor du die Sachen verräumst.

Aber Achtung, es ist möglich, dass dein Haustier über die Gerüche von draußen markiert, um das eigene Territorium zu kennzeichnen.

Bei Zootieren ist dieser Effekt erwünscht, da so natürliches Verhalten, also Markieren, stimuliert wird… an deinen Einkäufen macht sich das allerdings nicht so gut. Konfrontiere dein Tier mit ungewöhnlichen Lebensmitteln (Vorsicht! Überprüfe vorher, ob die Lebensmittel für die jeweiligeTierart ungiftig sind!)

Auch das ist Enrichment: Ein Besuch im Burger Restaurant. Ist der Hund gesund und verträgt es, warum nicht ab und an?

3. Cognitive Enrichment – Arbeit für die grauen Zellen!

Training auf Basis positiver Verstärkung kann mit allen Tierarten durchgeführt werden. Das Erlernen von Tricks, einfach zum Spaß oder zum besseren Handling bei Pflegemaßnahmen oder Tierarztbesuchen, lasten dein Tier aus, halten geistig fit, machen selbstbewußt und erzeugen Gefühle von Glück und Zufriedenheit.

Im Highland Wildlife Partk durfte ich am Enrichment Day ein sehr angenehmes und konzentriertes Training beobachten, bei welchem die Wölfe trainierten, auf ein Signal hin von einem Teil ihres Geheges durch eine Tür in einen anderen Teil zu wechseln.

Zum Cognitive Enrichment gehören auch so genannte Food Puzzles, bei denen das Tier sich geistig anstrengen muss, um an sein Essen zu gelangen. Essen kann verpackt oder versteckt werden. Ideal sind befüllbare Intelligenzspielzeuge, z.B. von Kong oder Nina Ottosson, aber es geht auch simpel und billig mit Klorolle, Eier- oder Schuhkarton.

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Keinen Frust aufkommen lassen!

Bei den Food Puzzles geht es nicht darum, den Nahrungserwerb für dein Tier immer schwieriger zu gestalten. Gerade wenn dein Tier hungrig ist und sein Blutzuckerspiegel niedrig, kippt der Spaß leicht in Frustration wenn die Aufgabe zu schwierig ist. Du möchtest auch nicht jedes Mal erst ein Kreuzworträtsel lösen müssen, bevor du dein Steak serviert bekommst. Achte darauf, dass die Aufgabe lösbar ist und dein Tier Spaß daran hat.
Aus Sicherheitsgründen solltest du auch bitte niemals dein Tier mit einem Futterspielzeug alleine lassen.

4. Social Enrichment – überzeugter Single oder Familientier?

Die Wölfe im Highland Wildlife Park wohnen direkt neben einer Herde Rentiere. Durch den Geruch und den Anblick des jeweils anderen, bleiben die natürlichen Sinne beider Tierarten wach.

Zum Enrichmentprogramm der Wolfsfamilie gehört ebenfalls das Beschnuppern der benutzten Einstreu anderer Zootiere, auf die Wolfpapa Jax markiert, um das Territorium zu sichern und in der sich die Youngsters mit Vorliebe wälzen.

Social Enrichment bedeutet auch, dass Tiere in Gefangenschaft in denselben Familienformen leben, in denen sie in Freiheit leben würden.

Wie ein wildes Wolfsrudel, so ist auch das Rudel in Kincraig eine Familie, bestehend aus den beiden Elterntieren Jax und Ruby und ihren Welpen von diesem und dem vergangenen Jahr. Da Wölfe in Freiheit mit Erreichen der Geschlechtsreife die Familie verlassen und sich einen eigenen Lebensraum und Lebenspartner suchen, wurden vor kurzem mehrere geschlechtsreife Nachkommen aus dem Highland Wildlife Park in andere Wildparks abgegeben, um die Stabilität der Familienstruktur nicht zu gefährden.

Social Enrichment ist Zeit, die du bewußt mit deinem Tier verbringst!

Trotzdem sollten wir nicht vergessen, in welcher Familienform unsere Haustiere in der Wildnis leben. Mit einem Partner oder in einer Herde / einem Schwarm? Wir Menschen können zwar für unser Tier Sozialpartner sein, sind aber niemals in der Lage, ihm einen Partner derselben Spezies zu ersetzen.

Für viele Haustierearten ist Einzelhaltung eine Qual. Informiere dich gut, wie du deinem Tier gerecht werden kannst.

5. Physical Habitat Enrichment – Die Gestaltung des Lebensraums

Der Lebensraum der Zootiere soll so gut es geht ihrem natürlichen Habitat nachempfunden und so gestaltet sein, dass die Tiere sich sicher fühlen und ihre natürlichen Instinkte ausleben können.

Den Wölfen im Highland Wildlife Park stehen mehrere Rückzugsmöglichkeiten und erhöhte Liegeplätze zur Verfügung. Sie graben Höhlen und verscharren ihren Anteil der Beute.

Besonders bei Tieren, die in Käfigen, Terrarien oder Aquarien leben, lohnt es, sich intensiv mit der Größe und Gestaltung des Lebensraums zu befassen. Wie kannst du den Lebensraum sinnvoll strukturieren? Auf wie vielen Ebenen würde dein Tier in Freiheit leben? Gräbt es Tunnel, scharrt es gerne, versteckt es sich, benötigt es einen Rückzugsort oder baut es ein Nest? Wie muss die Einstreu beschaffen sein? Wie das Nistmaterial?

Indoorkatzen benötigen für ihren Seelenfrieden mindestens einen, besser mehrere erhöhte Rückzugsorte. Ideal sind Catwalks, gebastelt aus Regalbrettern, die die einzelnen Rückzugsorte oder gar mehrere Zimmer auf Überkopfhöhe miteinander verbinden.

Im Highland Wildlife Park findet so ziemlich alles, was ungiftig und sicher ist, seinen Weg ins Wolfsgehege. Das Team investiert sehr viele Gedanken und sehr viel Zeit in Ideen, das Leben für ihr Wolfsrudel so abwechslungsreich und lebenswert wie möglich zu gestalten, so dass sie ihr natürliches Verhalten ausleben können, Wahlmöglichkeiten über ihr Leben und ihre Umwelt haben, sich dadurch wohler fühlen und gesund bleiben.

Die Wölfe warten darauf, dass sich das Tor öffnet und sie in den Teil des Geheges dürfen, in dem das Enrichment stattfindet.
Wir können uns von den Enrichmentprogrammen der Zootiere unzählige Ideen für unsere eigenen Haustiere ableiten.

Egal ob Hund, Katze, Maus, Goldfisch, Wellensittich oder Leguan. Mit ein bisschen Fantasie und der Hilfe von Tante Google kannst du für dein Haustier aus jeder der fünf Enrichment Kategorien etwas in seinen Alltag zaubern.

Quelle: https://www.colchester-zoo.com/explore/environmental-enrichment