Training 4 Paws

Die Leine ausstreichen

Zwei Länder - ein Problem - zwei Lösungsansätze

Dem Hund Grenzen setzen – aber nett! Teil 1: Schottland

Hier gehts zu Teil 2: Der Geschirrgriff

Du hängst am Ende der Leine, während dein Hund sich mit seinem ganzen Gewicht nach vorne legt, weil er einen anderen Hund sieht? Du würdest gerne Abstand zwischen euch und den anderen Hund bringen, aber in dem Moment, indem du deinen Hund an der Leine wegziehst oder in sein Halsband greifst: Boom! Dein Hund explodiert förmlich und hängt jetzt erst recht kläffend und schreiend in der Leine.

Der Oppositionsreflex

Schuld daran ist der sogenannte Oppositionsreflex. Er ist kein Reflex im medizinischen Sinne, sondern eher ein Sinnbild für die Bemühungen des Körpers, stets in Balance zu bleiben. Stelle dir vor, jemand zieht dich ohne Vorwarnung am Ärmel. Ohne bewußt darüber nachzudenken, wirst du deinen Arm in die andere Richtung wegziehen. Dies passiert auch bei deinem Hund.Es ist eine unwillkürliche Reaktion.

Ziehst du nun deinen schreienden Hund mit dir in die andere Richtung, so verbindet er all die negativen Gefühle, die Frustration, die Wut, den unangenehmen Zug an seinem Hals mit dem anderen Hund. In Zukunft wird sich daher sein Ausflippen an der Leine beim Anblick von Hunden noch weiter verstärken.

Wie kannst du den Oppositionsreflex überlisten? Mit einem positiv aufgebauten Verhaltensunterbrecher.

Stroking the Lead – Die Leine ausstreichen

Claire Staines von Lothlorien Dog Services in Schottland nutzt hierfür eine Technik, die sich Stroking the Lead nennt: Die Leine ausstreichen.

Beim Ausstreichen der Leine fährst du mit deinen Händen abwechselnd mit leichtem Druck die Leine entlang, vom Hund hoch zu dir. Erst mit der einen Hand, dann mit der anderen. Streiche so lange die Leine entlang, bis dein Hund den Zug nachlässt und sich zu dir umwendet. Dies ist der Moment, den du markerst und belohnst.

Achte beim Ausstreichen der Leine darauf, dass du deinen Hund nicht zu dir her ziehst. Ziel ist, dass er sich von alleine vom Auslöser abwendet und du dir umorientiert.

Im Video wende ich den Lead Stroke bei Nanook an, der gerade eines der unzähligen Eichhörnchen hier in Schottland gesehen hat:

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Alternativverhalten abfragen

Biete deinem Hund, nachdem er sich zu dir umgewandt hat, sofort ein Alternativverhalten an, welches mit dem unerwünschten Ziehen an der Leine unvereinbar ist und welches er gerne und gekonnt ausführt (z.B. ein Sitz oder Pfötchen geben). Auch Tricks, welche dem Ausführen von Beschwichtigungssignalen entsprechen, wirken sich beruhigend auf deinen und deeskalierend auf den anderen Hund aus (z.B. Schnüffeln am Boden, Diener als Spielaufforderung, Abwenden des Körpers etc.).

Steckt Magie dahinter? Was pasiert beim Lead Stroke?

Als Claire mir diese Technik vorgestellt hat, war meine erste Reaktion: Das funktioniert nie! – Aber das tut es doch!

Was passiert beim Lead Stroke? Die Methode stammt aus dem Tellington TTouch Training, welches die kanadische Tiertrainerin Linda Tellington-Jones entwickelt hat. TTouch schult die Körperwahrnehmung des Hundes und fördert damit Selbstvertrauen und Selbstbeherrschung.

Zum Ziehen an der Leine gehören immer zwei: Einer, der zieht, und einer, der dagegenzieht. Verweigert sich nur einer der beiden diesem Spiel, dann kann der andere auch nicht mehr ziehen und wird aus dem Gleichgewicht gebracht. Durch das Streichen über die Leine wird die Spannung aus der Leine genommen, ein Ziehen ist nicht mehr möglich und der Oppositionsreflex wird überwunden. Du gewinnst ein kurzes Zeitfenster, in dem dein Hund in der Lage ist, klar zu denken. Nutze diesen Moment, um ein positiv aufgebautes Alternativverhalten abzufragen.

Anwendungsmöglichkeiten

Setze den Lead Stroke immer dann ein, wenn dein Hund die Leine spannt und / oder abgelenkt ist: z.B. beim Gehen an lockerer Leine, wenn die Versuchung zu groß wird, dich doch mal an eine interessante Stelle zu ziehen; wenn er aufgeregt zu einem anderen Hund oder einem Menschen ziehen möchte; aber auch in Situationen, in denen dein Hund vor Angst erstarrt und nicht mehr weitergehen kann.

Im zweiten Teil stelle ich dir den Geschirrgriff, einen weiteren positiv aufgebauten Verhaltensunterbrecher vor.